Mittwoch, 7. Oktober 2020

Bat Detektor

Für die Klasse 3b meines Sohnes stand am Montag Abend eine Fledermaus-Exkursion auf dem Programm, was in diesen an außergewöhnlichen Erlebnissen armen Zeiten ein echtes Highlight war. Ich hatte das Vergnügen, gemeinsam mit einem weiteren Elternteil, der Lehrerin und dem Erzieher der Klasse die 28 Kinder auf der Exkursion zu begleiten. Als studierte Biologin lief mir vor lauter Vorfreude beinahe das Wasser des Wissensdursts im Munde zusammen. Warum „beinahe“? Nun, ich hatte schon früh das Gefühl, dass dieser Trip mir eher bestätigen würde, warum ich den Beruf der Biologin nicht ergriffen habe und mich nicht darüber nachdenklich stimmen würde, wie schade es doch sei, dass ich mein Geld nicht damit verdiene in Fledermauskot nach Resten ihres Speiseplans zu suchen.

 Aber eigentlich ging es ja nicht um mich. Es ging um die Kinder und auch ein bisschen um die Fledermäuse. Und auch ein großes bisschen um den Exkursions-Leiter, Herrn A. Ein wahrer Biologe, also mindestens leidenschaftlicher Naturkundler. Solche erkannt man daran, dass sie eine gefühlte Ewigkeit ein Phänomen beobachten können, ohne Kälte, Wärme, Hunger, Durst oder gar Langeweile zu verspüren. Während der Beobachtung befinden sie sich im Zustand äußerster Konzentration und geben ab und zu leise „ohh“ und „ahh“-Laute von sich.

 Soweit zur Rollenverteilung auf der Seite der BiologInnen.

Auf der anderen Seite hüpften und quäkten 28 GrundschülerInnen aufgeregt am Treffpunkt umher und ließen sich nur mit Mühe von ihren erwachsenen Begleitpersonen in Schach halten.
Mit ihrem wilden Rumgehampel spiegelten sie die hektischen Flugmanöver der Fledermäuse perfekt wider. Während wir vier erwachsenen Begleitpersonen mit Schrecken der Herausforderung entgegensahen, die wilde Meute im finsteren Park vollständig beisammen zu halten, zauberte der Fledermausmann seine Wunderwaffen aus der Tasche: Autorität und einen Bat-Detektor.
Mit krachenden Apellen brachte er die Kinder dazu, sich ruhig hinzusetzen und zu schweigen. Ja, tatsächlich, sie sagten für eine gute Viertelstunde fast nichts.

Bevor es endgültig mit der Fledermaus-Suche losging, wurde uns der Bat-Detektor präsentiert. Ein Gerät, mit dem man Ultraschall für Menschen hörbar machen kann. Jede Fledermausart hat ihre eigene, typische Stimme, die man wie Vogelstimmen lernen und zuordnen kann. Bei Fledermäusen sind die Geräusche eher klopfender Natur. Dabei unterscheidet man zwischen trockenen Tönen und feuchten Tönen. Um es für die Kinder verständlich zu machen sprachen wir ab sofort über trockene und feuchte Furze. Hier kann man sich das mal anhören, https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/fledermaeuse/wissen/11385.html.

Sobald das Gerät eingeschaltet war, entdeckten wir auch schon die ersten Fledermäuse am nachtgrauen Himmel. Gelegentlich sahen und hörten wir auch Singvögel, Enten und Gänse, die gleichberechtigt mit „Ahh“ und „Ohh“ begrüßt wurden. Für die Kids war alles sehr aufregend: Die Dunkelheit, die vielen fremden Geräusche, undefinierbare Schatten, plötzlicher Hunger, Spukgeschichten über X-Men und Mutantenhalbwissen, verlorene Dinge, schmutzige Schuhe und die ständige Konfrontation mit dem Verbot die Taschenlampe zu benutzen.

Mittendrin ein seelenruhiger Fledermausmann, der gebannt auf die Seeoberfläche starrte und auf das Erscheinen der Wasserfledermaus wartete. Er hatte viel Zeit und Geduld und ließ sich auch nicht von immer unruhiger und lauter werdenden Drittklässlern von seinem Vorhaben abbringen, das Tier zu entdecken. Er wollte diesen Haken unbedingt machen: „Wasserfledermaus gesehen“, „check“. Ob die Kids zu diesem Zeitpunkt noch wussten, weshalb sie auf dem Steg standen?
Wahrscheinlich überlagerten sich die Themen, mit denen sich die Kids grade beschäftigten, mit dem Thema „Wo ist denn nun die Wasserfledermaus?“ nur noch ganz minimal. Was die Lehrerin, den Erzieher und den exkursionsbegleitenden Vater anbetraf, konnte ich nur spekulieren, wäre aber wahrscheinlich auch hier zu keiner großen Themenüberlappung gekommen.
Und bei mir? Ich war ganz nah dran an der Wasserfledermaus und fühlte mich seit langem mal wieder so richtig bestätigt darin, den Beruf der Biologin nicht ergriffen zu haben. Ich freute mich auf ein warmes Zuhause, ein leckeres Abendbrot und ein Bier.

 



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