Sechs Wochen Rückblick
Herr O. hatte zum ersten mal Ferien. Es gab zwei Wochen Herbstferien - unterteilt in eine Woche Ferienprogramm in seiner Schule und
eine Woche Sportcamp, welches er in den Sommerferien schon besucht hatte.
Für mich bedeuteten die zwei Wochen eine Unterbrechung unseres mühsam aufgebauten Rhythmus.
Einführung einer Morgenroutine, die gewährleistet, dass Sohnemann pünktlich in der Schule ist, Junior seinen Kindergarten erreicht und Mama auch noch mal irgendwann im Büro aufschlägt.
Veränderte Abholzeiten und Wege, die Bagage nachmittags wieder einzusammeln und nach Hause zu bringen.
In der zweiten Woche stand ich kurz davor mir einen dieser Aufkleber "Taxi Mama" aufs Auto zu kleben. Zum Glück war der Verkehr dank Ferien nicht ganz so schlimm und die Jungs waren bis
auf wenige Schreiattacken auch dankbare Mitfahrer.
Als die Schule wieder losging, war ich aber dennoch irgendwie froh.
Herr O. hat mitlerweile das Prinzip "Schule" durchschaut und war dementsprechend etwas weniger froh, als es wieder los ging. In den ersten Wochen war ihm nicht klar, dass Stillsitzen, Aufpassen, Zuhören,
Anweisungen Befolgen der Kern des eigentlichen Schulalltags sind. Diese Erkenntnis setzte sich nur zaghaft in ihm durch. Lange war er noch der Illusion erlegen, dass es sich bei der Schule
um eine Fortsetzung der Kita in anderen Räumlichkeiten handelt.
Wenn ich ihn nachmittags fragte, was er gemacht habe, dann war die Antwort IMMER: "Fussball gespielt". NIE erzählte er von Buchstaben oder Zahlen. Die schien es in seiner Schule nicht zu
geben.
Der plötzliche Wegfall der täglichen ErzieherInnen-Briefings, die man aus Kitazeiten gewohnt war, machte mir ein bisschen zu schaffen.
Kind geht morgens ins Klassenzimmer, kommt nachmittags wieder raus und man hat NULL Ahnung, was dazwischen passiert ist. Es sei denn, es erzählt davon, was leider nicht so oft passiert. Also nicht, dass er selten oder wenig erzählt. Es passt aber leider nicht immer zu dem, was an dem Tag wirklich passiert ist. Entweder ist es an einem völlig anderen Tag passiert oder in seiner Fantasie.
Manchmal erzählt Herr O. Dinge wie "heute war ein SEK-Team auf dem Schulhof" oder "Die Putzfrau ist voll gemein". Vielleicht war das SEK ja wegen der Putzfrau da, aber sicher bin ich mir bis heute
nicht. Verläßlich ist allerdings die Berichterstattung über den Pausenkick, der mal mit oder ohne Viertklässler stattfindet und manchmal auch gar nicht, weil der Ball beschlagnahmt wurde. Die Gründe für die Beschlagnahmung des Klassenballs sind so undurchsichtig wie der morgendliche Herbstnebel. ER war zumindest nie schuld. Behauptet ER.
Kurz vor den Herbstferien gab es so eine Art Lichschweif am Horizont. Er schrieb selbständig Wörter: "TOA" und "SEG".
Kleiner Tipp: Nur ein Begriff hat was mit Fussball zu tun.
Ach ja, der Fußballverein
Die Zeit war reif. Der Junge musste endlich in einen Fussballverein. Fand er schon lange und fanden wir dann auch irgendwann. Kurze Umfrage bei befreundeten Eltern und ein Verein war gefunden.
Dort sollte Herr O. dann auch gleich zum Probetraining vorbei kommen. Flugs hatten wir ein paar Sportklamotten in die Tasche gepackt und machten uns auf zum Trainingsplatz.
Doch was war das? Niemand da! Da wir noch nicht Mitglied in der Bambini WhatsApp-Gruppe waren, hatte die Nachricht vom Trainigsausfall uns nicht erreicht.
Herr O. nahm es sportlich und kickte dann einfach mal ne Stunde mit irgendwelchen zufällig anwesenden Jungs.
In der Zwischenzeit ist er angemeldet und trainiert fleissig mit den Bambinis des Post SV. Samstags morgens spielen die Kids gegen Vereine aus der näheren Umgebung. Sehr früh! Teils trifft sich der Mutti-Papi-Onkel-Geschwister-Fussballkinder-Pulk schon um 9:00 Uhr. Der Platz ist noch leicht gefroren und wenn man nicht freiwillig Bälle schleppt, Laibchen verteilt oder Aufwärmungen vormacht, frieren einem die sommerverwöhnten Füße ein.
Nach anfänglichen Kanter-Niederlagen (4:18 und 0:16) gelang den Gelben am vergangenen Samstag das erste Unentschieden. 4:4 nach 3:4 Rückstand und ratet mal, wer das Ausgleichstor geschossen hat? Klar sind die Muttis vor Stolz geplatzt.
Drachenfels
Als an Frost, Nebel und trübe Wintertage noch keiner zu denken wagte, verbrachten wir einen fantastischen Tag am und auf dem Drachenfels bei Königswinter. Unsere lieben Freunde aus Köln hatten uns diesen Tag zur Hochzeit geschenkt und Herr O. hatte sich nach langer qualvoller Auswahl zwischen Römerpark Xanten und Drachenfels für eben jenen entschieden. Ich kenne den Klassiker unter den Ausflügen noch aus Kindertagen und war gespannt, wieviel Siegfried-Romantik wohl verblieben war. Also... wenn man nicht weiß, dass es da eine Sage gibt, in der ein Mann einen Drachen tötet. Dass das ganze ein Kernelement deutscher Romantik ist, ebenso wie der romantisch verklärte Blick auf den Rhein und das Siebengebirge um einen herum, man könnte es tatsächlich übersehen. Macht man die Augen ganz weit auf, sieht man Scharen von Touristen aus aller Welt, hört alle möglichen Sprachen, und drängelt sich in der hochpolierten Drachenfelsbahn auf den "Gipfel", wo man wiederum im Multi-Kulte-Gewühl einen Platz an der Panoramablick-Front zu ergattern versucht um in der Ferne den Dom zu erahnen. Der Kölner und die Kölnerin findet den Dom selbstverständlich auf anhieb. Den Indern, Amerikanern und Spaniern um uns herum schien unser Expertengespräch völlig kalt zu lassen. Von der Romantik der Location blieb bei Schnitzel aus Plastikschalen höchstens ein Hauch Klassenfahrtsromantik, aber auch dieser Hauch kann verzaubern.
Das Gute daran: Den Kindern ists egal. Denen hat es einen Riesenspass gemacht. Irgendwo haben wir dank unserer erfahrenen Reiseführer auch noch eine Stelle im Gebüsch gefunden, wo Siegfried angeblich mit dem Drachen gekämpft hat. Bei Limo, Pommes und Eis ist die Welt für Kinder sowieso in Ordnung. So ganz falsch ist diese Behauptung ja auch in der Erwachsenenwelt nicht und da wir echtes Drachentöter-Wetter hatten, waren wir auch super happy am Ende des Tages.
Mutti macht was
Mutti macht jetzt Yoga, war auf einer Podiumsdiskussion zum Thema "Künstliche Intelligenz" und war auf einem Konzert von Peter Licht in Köln. Das ist alles großartig, der Bericht muss aber noch ein bisschen warten, denn jetzt geht mir die Schreib-Puste aus.