Empowerment
Am Wochenende fand in Köln ein Empowerment-Workshop für Engagierte statt, der mit dem langen Titel "Aktuelle Herausforderungen und Chancen für Regenbogenfamilien" für sich warb. Wenn ich ehrlich bin, riss mich der Titel nicht gleich vom Hocker, so dass ich mich erst nach längerem Zögern anmeldete. Immerhin war der Tagungsort in Köln (immer ein Pluspunkt) und als Kompromiss nur einen Tag, statt an beiden Tagen teilzunehmen, klang dann schon eher machbar.
Am Samstag Morgen verabschiedete ich mich von einem heulenden Herrn O. und meiner Frau und fuhr zur JH Köln-Riehl. Mensch, war das lange her, dass ich hier fast täglich auf dem Weg zwischen meiner Mülheimer Wohnung und der Uni mit dem Rad vorbei gefahren war.
Ein klein wenig nervös schlurfte ich vom Parkplatz zum Eingang der Jugendherberge und traf auch gleich ein paar regenbogenmäßig aussehende Menschen. Es lebe das Cliche!
Im Tagungsraum sah ich dann auch gleich in vertraute Gesichter und tauschte Umarmungen und Begrüßungsrituale aus. Wie schön, nicht alleine zu sein - was ja gleich doppelt zutraf. Alle Anwesenden hatten irgendwie mit dem Thema "Regenbogenfamilie" zu tun und was noch viel toller war: Alle waren dem Thema (natürlich) offen und positiv gegenüber eingestellt.
Der Vormittag bestand erst mal aus Ankommen und Kennenlernen, was ich als unheimlich entspannt empfand. Wir stellten uns alle in die Mitte des Raumes und bekamen verschiedene Fragen gestellt. Antwortoptionen standen auf vorgefertigten Pappkärtchen, die von den entzückenden Moderatorinnen auf dem Boden verteilt wurden. Wir mussten uns dann entsprechend unserer Antwort zum richtigen Kärtchen stellen. Wo kommst du her? Wie viele Kinder hast du? Wie alt sind die? Bist du zufrieden mit der aktuellen Situation für Regenbogenfamilien?
Die Antworten auf die letztgenannte Frage waren sehr vielfältig. Von "überhaupt nicht zufrieden" bis "total zufrieden" verteilten sich die gut 20 Damen und die drei Herren fast überall. Ich fand es total bemerkenswert, wie sich eine für die meisten doch recht ähnliche Situation subjektiv völlig anders darstellte. Es hing ein wenig vom Alter bzw. von der Intensität des lesben-politischen Engagements in der Zeit vor der Familiengründung ab, ob Frau (und es nahmen hier ausschliesslich Frauen Stellung) die heutige Situation als "total super" betitelte oder als "extrem unbefriedigend". Frauen, die einst in den 80ern und 90ern auf die Strasse gegangen waren und für Rechte von Lesben gekämpft hatten, hinterfragten jetzt, ob wir denn überhaupt noch politisch genug seien. Unsere heutige Generation profitiert von so vielen Vorteilen und Errungenschaften, dass wir uns ja wirklich nicht beschweren können. Eingetragene Lebenspartnerschaft, Stiefkindadoption, Ehegattensplitting erleichtern unser Leben ja zugegebenermassen sehr. Da gibt es dann die Ansicht, dass das noch längst nicht genug sei, und noch genügend Missstände zu bekämpfen seien, und die andere Sicht, die sehr zufrieden im Regenbogenfamilien-Nest sitzt und die Füße hoch legt.
Ich war gleichermaßen fasziniert als auch verunsichert. Ich stand ganz weit im Zufriedenheits-Sektor und fühlte mich eigentlich sehr glücklich mit unserer familiären Situation. Woher kam diese Skepsis und die Kritik einiger Frauen? Wie würde sich dieser Tag entwickeln? Würden wir hier Dinge problematisieren, die aus meiner Sicht keine waren und unsere Kraft in eine Richtung lenken, die ich nicht für richtig befand? Würde es mir gelingen, die Unzufriedenheit einiger Frauen zu verstehen und ggf. sogar zu teilen oder sie in ihrem Kampf für Verbesserungen zu unterstützen?
Ich schrieb auf mein Erwartungskärtchen, dass ich mir von dem Seminar neue Motivation für meine ehrenamtliche Arbeit im Regenbogenfamilien-Bereich erwartete. Ob das tatsächlich gelingen sollte war mir bis zum Mittagessen allerdings ein großes Rätsel.
Dann kam der Nachmittag mit vielen Vorträgen und munteren Diskussionen. Mein Bild und meine Laune wandelten sich stetig. Ich lernte immer mehr Details zu den Lebensweisen und Identitäten der anderen TeilnehmerInnen und meine Vorstellung von der Regenbogenfamilien-Situation und der daran beteiligten Frauen und Männer wurde immer bunter.
Da waren sie alle: Die ewigen Polit-Lesben, die Kämpfernaturen und die Stillen, die jungen und die alten, die femininen und die Karohemdfraktion, die Sanften und die kratzbürstigen, die frustrierten und die warmherzigen. Frauen mit 0-5 Kindern, mit eigenen oder Pflegekindern, Queer-Families und Alleinerziehende, Schwangere und Omas, Wünschende und Habende.
Es war so viel Vielfalt und Leben, so viel Herzlichkeit auf einmal in diesem Raum, dass mir zumindest das eine klar wurde: Egal wie wir unsere Situation bewerten - Regenbogenfamilien sind etwas ganz zauberhaftes und nicht mehr und nicht weniger sollte die Welt wissen.
So richtig gemerkt habe ich das am Samstag Abend auf der Heimfahrt erst mal nur an meiner Stimmung. Ich war viel gelassener als noch am Morgen. Auf meinem Gesicht lag ein Lächeln und müde vom vielen Zuhören und Diskutieren war ich kein bisschen.
Als dann heute in der Mittagspause gegenüber meinen Kollegen auf die Frage, wie denn mein Wochenende war, aus mir heraussprudelte "Ich war am Samstag in Köln auf einem Workshop für Regenbogenfamilien", da wußte ich, dass ich tatsächlich empowert war.