Montag, 18. Mai 2015

Empowerment

Am Wochenende fand in Köln ein Empowerment-Workshop für Engagierte statt, der mit dem langen Titel "Aktuelle Herausforderungen und Chancen für Regenbogenfamilien" für sich warb. Wenn ich ehrlich bin, riss mich der Titel nicht gleich vom Hocker, so dass ich mich erst nach längerem Zögern anmeldete. Immerhin war der Tagungsort in Köln (immer ein Pluspunkt) und als Kompromiss nur einen Tag, statt an beiden Tagen teilzunehmen, klang dann schon eher machbar.

Am Samstag Morgen verabschiedete ich mich von einem heulenden Herrn O. und meiner Frau und fuhr zur JH Köln-Riehl. Mensch, war das lange her, dass ich hier fast täglich auf dem Weg zwischen meiner Mülheimer Wohnung und der Uni mit dem Rad vorbei gefahren war.
Ein klein wenig nervös schlurfte ich vom Parkplatz zum Eingang der Jugendherberge und traf auch gleich ein paar regenbogenmäßig aussehende Menschen. Es lebe das Cliche!
Im Tagungsraum sah ich dann auch gleich in vertraute Gesichter und tauschte Umarmungen und Begrüßungsrituale aus. Wie schön, nicht alleine zu sein - was ja gleich doppelt zutraf. Alle Anwesenden hatten irgendwie mit dem Thema "Regenbogenfamilie" zu tun und was noch viel toller war: Alle waren dem Thema (natürlich) offen und positiv gegenüber eingestellt.

Der Vormittag bestand erst mal aus Ankommen und Kennenlernen, was ich als unheimlich entspannt empfand. Wir stellten uns alle in die Mitte des Raumes und bekamen verschiedene Fragen gestellt. Antwortoptionen standen auf vorgefertigten Pappkärtchen, die von den entzückenden Moderatorinnen auf dem Boden verteilt wurden. Wir mussten uns dann entsprechend unserer Antwort zum richtigen Kärtchen stellen. Wo kommst du her? Wie viele Kinder hast du? Wie alt sind die? Bist du zufrieden mit der aktuellen Situation für Regenbogenfamilien?

Die Antworten auf die letztgenannte Frage waren sehr vielfältig. Von "überhaupt nicht zufrieden" bis "total zufrieden" verteilten sich die gut 20 Damen und die drei Herren fast überall. Ich fand es total bemerkenswert, wie sich eine für die meisten doch recht ähnliche Situation subjektiv völlig anders darstellte. Es hing ein wenig vom Alter bzw. von der Intensität des lesben-politischen Engagements in der Zeit vor der Familiengründung ab, ob Frau (und es nahmen hier ausschliesslich Frauen Stellung) die heutige Situation als "total super" betitelte oder als "extrem unbefriedigend". Frauen, die einst in den 80ern und 90ern auf die Strasse gegangen waren und für Rechte von Lesben gekämpft hatten, hinterfragten jetzt, ob wir denn überhaupt noch politisch genug seien. Unsere heutige Generation profitiert von so vielen Vorteilen und Errungenschaften, dass wir uns ja wirklich nicht beschweren können. Eingetragene Lebenspartnerschaft, Stiefkindadoption, Ehegattensplitting erleichtern unser Leben ja zugegebenermassen sehr. Da gibt es dann die Ansicht, dass das noch längst nicht genug sei, und noch genügend Missstände zu bekämpfen seien, und die andere Sicht, die sehr zufrieden im Regenbogenfamilien-Nest sitzt und die Füße hoch legt.

Ich war gleichermaßen fasziniert als auch verunsichert. Ich stand ganz weit im Zufriedenheits-Sektor und fühlte mich eigentlich sehr glücklich mit unserer familiären Situation. Woher kam diese Skepsis und die Kritik einiger Frauen? Wie würde sich dieser Tag entwickeln? Würden wir hier Dinge problematisieren, die aus meiner Sicht keine waren und unsere Kraft in eine Richtung lenken, die ich nicht für richtig befand? Würde es mir gelingen, die Unzufriedenheit einiger Frauen zu verstehen und ggf. sogar zu teilen oder sie in ihrem Kampf für Verbesserungen zu unterstützen?

Ich schrieb auf mein Erwartungskärtchen, dass ich mir von dem Seminar neue Motivation für meine ehrenamtliche Arbeit im Regenbogenfamilien-Bereich erwartete. Ob das tatsächlich gelingen sollte war mir bis zum Mittagessen allerdings ein großes Rätsel.

Dann kam der Nachmittag mit vielen Vorträgen und munteren Diskussionen. Mein Bild und meine Laune wandelten sich stetig. Ich lernte immer mehr Details zu den Lebensweisen und Identitäten der anderen TeilnehmerInnen und meine Vorstellung von der Regenbogenfamilien-Situation und der daran beteiligten Frauen und Männer wurde immer bunter.
Da waren sie alle: Die ewigen Polit-Lesben, die Kämpfernaturen und die Stillen, die jungen und die alten, die femininen und die Karohemdfraktion, die Sanften und die kratzbürstigen, die frustrierten und die warmherzigen. Frauen mit 0-5 Kindern, mit eigenen oder Pflegekindern, Queer-Families und Alleinerziehende, Schwangere und Omas, Wünschende und Habende.
Es war so viel Vielfalt und Leben, so viel Herzlichkeit auf einmal in diesem Raum, dass mir zumindest das eine klar wurde: Egal wie wir unsere Situation bewerten - Regenbogenfamilien sind etwas ganz zauberhaftes und nicht mehr und nicht weniger sollte die Welt wissen.

So richtig gemerkt habe ich das am Samstag Abend auf der Heimfahrt erst mal nur an meiner Stimmung. Ich war viel gelassener als noch am Morgen. Auf meinem Gesicht lag ein Lächeln und müde vom vielen Zuhören und Diskutieren war ich kein bisschen.

Als dann heute in der Mittagspause gegenüber meinen Kollegen auf die Frage, wie denn mein Wochenende war, aus mir heraussprudelte "Ich war am Samstag in Köln auf einem Workshop für Regenbogenfamilien", da wußte ich, dass ich tatsächlich empowert war.

Sonntag, 17. Mai 2015

Philosophisches

Fragen, die mir unser Sohn an diesem Wochenende stellte:


  • Auf meine Erklärung, dass die Wassersprenger auf dem Hockeyplatz heute während der Halbzeitpause nicht angeschaltet werden, fragte er "warum?". Ich erwiderte, dass das Wasser heute keine Lust habe. Daraufhin er: "Wo ist denn die Lust, Mama?"
  • Am Freitag wollte er unbedingt mit zu mir ins Büro anstatt in die Kita. Er schaute mich ganz überzeugt an und sagte, "Das ist nicht langweilig". Er sagte das, weil ich ihm auf diesen Wunsch schon mehrfach geantwortet hatte, dass es bei mir im Büro total langweilig sei. (Sorry, Chef!) Als ich ihm nicht schnell genug antwortete, sah er mich mit ganz großen Augen an und meinte: "Mama, was ist "langweilig"?"
  • Heute auf dem Weg zur Mülltonne erklärte ich ihm, dass wir heute keine Zeit hätten, im Keller noch länger zu bleiben und Verstecken zu spielen. "Wo ist denn die Zeit?"

Freitag, 15. Mai 2015

Frau Töse

In unserem Stadtteil gibt es samstags immer einen netten kleinen Markt mit Blumen-, Wurst-, Obst-und Gemüseständen, einem Kaffeewagen, einem Bäcker und auch einem Fischstand. Die Fischfrau, die vom mayonnaisigen Heringstipp, fast-fang-frischem Lachs und trendigem Algensalat bis zum Kater-Killer-Kibbeling frisch aus der Fritteuse alles verkauft, ist besonders bei den Kindern besonders beliebt, da sie halbe Fischfrikadellen verschenkt. Will man eine ganze, kostet das 1,- Euro. Der ist aber wohl eher symbolisch zu verstehen. Der Andrang ist immer groß und die Fritteuse, die ganz nebenbei auch noch den bei Senioren so beliebten Backfisch frittiert, ist im Dauereinsatz.
Bis auf letzten Samstag. Da machte es ganz laut "PENG!", es zischte und rumorte und sogar ein paar Flammen schlugen an die Wände des nicht mehr so ganz fangfrischen Fischwagens. Für die Fischfrau ein dramatisches Ereignis, denn meiner Einschätzung nach macht sie mehr als die Hälfte ihres Umsatzes mit Frittiertem. Sie wirkte also nicht umsonst leicht traumatisierte, als Herr O. und ich an ihren Tresen traten um eine Fischfrikadelle zu bestellen. Sie sah übel mitgenommen aus und schien auch mental eher im Reich der Fische zu schwimmen als mit beiden Beinen sicher auf dem Boden ihres Wagens zu stehen. Unserem Sohn erklärte sie dann ausführlich, was alles passiert war, und dass es nun folglich heute keine Fischfrikadellen gebe. Ihm kamen fast die Tränen, doch dagegen gab es immerhin ein paar tröstende Gummibärchen, die das Leiden im Nu linderten.

Morgen ist wieder Samstag und die Fritteuse hoffentlich repariert. Die Welt könnte kaum schöner sein.

Herr O. ist aber immer noch mit der Verarbeitung dieses Traumas beschäftigt. Die Worte "Fritteuse", "kaputt", "Feuer", "keine Fischfrikadelle", "reparieren" beflügeln seine Fantasie, so dass immer neue Geschichten daraus erwachsen. Ist aber auch ein Jammer, wenn Frau Töse explodiert!

Montag, 11. Mai 2015

Frühlingsurlaub in Dublin

Wir waren mal wieder in Dublin. Diesmal für eine Woche und mit dem ganz besonderen Ziel, den runden Geburtstag von Frau O. zu feiern. Herr O. und ich wollten diese Party natürlich nicht verpassen und reisten als schmückendes Beiwerk mit auf die grüne Insel. Die Insel zeigte sich leider nicht von ihrer besten Seite - oder anders gesagt, sie tat einfach das, was man von Irland erwartet. Um es kurz zu machen: Es regnete und stürmte ganz ordentlich.
Als outdoor-erprobte Mamas konnte uns das aber nicht davon abhalten, die Gegend um Knocknashee ein wenig unsicher zu machen. Junior war diesmal ganz besonders agil und testete jegliches Gefährt, das ihm in die Finger kam: Scooter, Laufrad, Elektroauto, Dreirad und Auto (das allerdings ohne laufenden Motor). Beinahe hätte er noch eine Runde mit Opas Rasenmäher gedreht, aber da kam zum Glück eine Regenschauer ganz passend vorbei.
Unser letzter Besuch in Irland liegt fast ein Jahr zurück, und an nichts kann man den Lauf der Zeit besser verfolgen, als an den Fortschritten und Veränderungen eines Kindes. Herrn O.s Horizont hat sich extrem erweitert, was zur Folge hat, dass ein simpler Besuch auf dem Spielplatz um die Ecke kein besonderes Erlebnis mehr ist. Ein Spielplatz muss mittlerweile auch mehr als Rutschbahn und Schaukel bieten. Ein Spazierganz durchs Einkaufszentrum - an Weihnachten noch ein Highlight wegen der vielen Lichter und Rolltreppen - diesmal eher mittelspannend. Strassenbahnfahrten begeistern ihn glücklicherweise noch und die ein- oder andere Treppe lädt ihn auch noch häufig zu einer Kletterchallenge ein. Wieso nicht mal die Stufen rückwärts runterspringen?
Höhe und Geschwindigkeit üben eine immer stärkere Faszination auf unseren Sohn aus, so dass das Tragen eines Helmes selbst mir als heftige Helmkritikerin durchaus einleuchtet. Nur, dass dann, wenn er mal wirklich Sinn machen würde, natürlich keiner zur Hand ist. Wie z.B. bei einer Sturzfahrt auf der Seilbahn, die fast ungebremst gegen so eine Art Wand fährt und dann Vollkaracho zurückknallt. Ach ja, Eltern und ihre Ängste um die lieben Kleinen. Ich gebe zu, ich bin schon relativ risikofreudig und lasse unseren Sohn auch gerne experimentieren. Als er aber mit dem Scooter den Berg runterfuhr und offensichtlich die Kontrolle über das immer schneller werdende Gefährt verlor, da hoffte ich schon, dass er in den Busch statt gegen die Mauer fahren würde. Und das tat er ja dann zum Glück auch. Der Scooter. Herr O. war clever genug rechtzeitig abzuspringen. Da war ich aber mächtig stolz.

Ich bin immer wieder fasziniert, welche Energie ein 2,5-jähriger entwickeln kann. Stundenlang einem Fußball hinterher zu laufen ist überhaupt kein Problem für ihn. Er rennt, klettert, springt und redet wie ein Duracell-Häschen. Manchmal bin ich ein bisschen neidisch über diese Ausdauer. Mit viel Mühe schaffe ich es ihn zu Trinkpausen zu überreden, damit ich auch ab- und zu mal Pause machen kann. Er ist da gnadenlos zu sich und vor allem zu mir. Immerhin hat er jetzt verstanden, dass Mama "Aua-Rücken" hat, und das das nicht besser wird, wenn er immer auf Mamas Arm will. Klappt nicht immer, aber immer besser. Mama macht jetzt fleißig Rückengymnastik und Sohnemann geht selbständig die Strasse entlang.

Was sonst noch in Dublin geschah?

  • Der Fuchs darf nicht auf Opas Wiese Pipi machen
  • Wenn die Männer im Himmel das Dach aufmachen, regnet es, wenn sie es schliessen hört es wieder auf
  • Pommes mit Butter ist eine Möglichkeit
  • "Ich bin schon ganz groß"
  • und ganz neu - vom Marktbesuch am Wochenende: "Die Frau Töse hat gebrannt". (Er meint die Fritteuse der Fischfrau, die dann keine Fischfrikadellen mehr frittieren konnte, was ein großes Drama war).

Freitag, 8. Mai 2015

Dublin Streets