PEKIP
Vor einer Woche fragte ich meinen Schatz: "Sag mal, was hältst du
davon, wenn ich mir nächsten Montag frei nehme?" "Wunderbar", entgegnete
Schatz, "dann kannst du ja mit unserem Sohn zur PEKIP-Gruppe gehen". Au
weia, auf was hatte ich mich da eingelassen. Die Rolle der Feierabend-
und Wochenendmutti war mir mitlerweile vertraut, die Bäckersfrau kannte
mich mit und ohne Kind, nächtliche Wickel und Beruhigungsodysseen waren
mir in Fleisch und Blut übergegangen. Doch jetzt auf einmal so richtig
vollumfänglich die Mutti zu sein - neben ganz vielen anderen
Vollblutmuttis und einer Expertin, die junge Muttis und deren Kinder zu
ungelenken Bewegungen und peinlichen Liedern anstiftet. Und das dann
auch noch alleine, also ohne Frau O. "Nicht ohne unseren Sohn" sagte ich
still zu mir selber und beschloss Herrn O. von der Idee zu überzeugen,
mich als seine PEKIP-Begleitmutti mit aller Kraft zu unterstützen und
auf keinen Fall zu blamieren.
Das gute Wetter am Montag trug wesentlich dazu bei, dass ich trotz
einer spürbaren Grundnervosität doch positiv gestimmt und in sonniger
Laune mit dem Kleinen Herrn in der Tage richtung Geburtshaus taperte.
Meine Frau schwebte grinsend neben mit her, hatte sie doch die Aussicht
auf zwei freie Stunden ohne Babygeschrei an der wohlig wärmenden
Frühlingssonne. Immerhin hatte ich ihr das Versprechen abgwinnen können,
mich der PEKIP-Gruppe kurz vorzustellen, und mich in die wichtigsten
Rituale und Verhaltensregeln der Gruppendynamik einzuweisen.
"Jede bekommt eine Matte, da legst du dann das Kind drauf. Die
Sibylle* (*Name geändert, wie alle anderen folgenden auch) empfiehlt
dann immer, die Kinder ganz auszuziehen, also auch die Pampers. Ich
mache das nie, aber du kannst selber entscheiden, ob du das machen
willst.
Hier ist die Tasche, da ist alles drin, was du brauchst, falls er
mal macht, Durst oder Hunger hat, oder frische Klamotten braucht."
Ich fühlte mich an eine Sicherheitsbelehrung im Flugzeug erinnert,
und dann rollten wir auch schon auf die Startbahn. Frau O. entschwand,
Sibylle hiess mich sehr herzlich willkommen, die ersten PEKIP-Muttis mit
ihren Kindern trudelten ein, Matten wurden hin-und her geschubst,
Tonnen von Spielzeug in der Mitte des Raumes platziert und - trotz
bereits saunahaften Temperaturen - die Heizstrahler eingeschaltet. Auch
das war Teil meiner Sicherheitsbelehrung gewesen, aber ich hatte
angesichts des aufstrebenden Frühlings nicht damit gerechnet, dass wir
uns dieser Zusatzwärmequelle bedienen würden. Gehört wahrscheinlich zum
PEKIP-Standart, wie das Schwimmwesten-Kapitel zu den
Safety-Instructions, selbst wenn man kein einziges Gewässer überfliegt.
Lieselotte fragte mich als erste, ob ich nun Elternzeit hätte, dann
kam Henriette und irgendwann fragten alle 8 Frauen zwischen
Kinderausziehen, Matte mit heimeligen Decken und Stofftieren dekorieren,
und sich selber klamottentechnisch den Temperaturen und anstehenden Aufgaben anpassend,
tausende Fragen, von denen ich nur eine kleine Auswahl widerzugeben im
Stande bin:
- Hast du jetzt Elternzeit?
- Wie teilt IHR euch denn die Erziehung des Kleinen auf?
- Habt ihr euch denn einen Jungen gewünscht?
- Ihr freut euch sicher über das neue Adoptionsrecht?
- Wo ist denn deine Frau?
Selber schuld, wenn man meint, mal alles anders machen zu müssen, als die Gattin das empfohlen hatte.
Herr O. fühlte sich sichtlich wohl und nahm sogar das von mir eigenhändig gebastelte, pädagogisch wertvolle Spielzeug mit Begeisterung an. Ich hätte ihm aber auch verziehen,
wenn er den in einen Bratschlauch eingehüllten gelben Plastikball verschmäht hätte.
Zum Ende der Stunde schnappten wir uns unsere Kinder (jede ihres) und stellten uns im Kreis auf. Hunde, Elefante, Katzen und Mäuse waren die Kernobjekte unserer Sing- und Tanzspiele, die wir in wechselnden Tempi und Schrittkombinationen ausführten. Auf den ersten Blick eine leicht zu lösende Aufgabe, im Fokus eines Heizstrahlers mit einem zappelnden Kind auf dem Arm wurde aus dieser Übung schnell eine sportliche Höchstleistung. Während meine Frau entspannt durch den Zoopark joggte, schwitzte ich richtig!
"....war ein großer Hund - Wau Wau!...und wieder von vorne..." dröhnte es an mein Ohr. "Clarissa, du hältst dein Kind falsch. Leg mal besser deine Hand hier hin."
Ohhh jehhhh, ich schwitzte. Und der kleine Kerl auf meinem Arm auch. Ihm wurde die ganze Hampelei auch langsam zu viel, oder es es war ihm peinlich, oder ich war ihm peinlich, egal, er quäkte immer lauter und dann schrie er. Das fiel aber nicht weiter auf, denn auch Harald, Detlef und Annemie schrien mitlerweile. Sibylle und Annegret hockten in einer Ecke und stillten und während ich noch meine Eindrücke sortierte war die Stunde auch schon vorbei. Sohn anziehen, Tasche packen, mich anziehen, Tschüß sagen (zu meiner Überraschung gabs hierfür kein Lied) und raus.
In unserem Stamm-Cafe trafen der mitlerweile selig schlummernde Herr O. und ich auf Frau O. und ich erzählte von meinen Heldentaten. Ein Lächeln, ein Capucchino und das Angebot, auch den nächsten PEKIP-Termin wahrnehmen zu können waren der Dank.
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