Rentner in Space
Wenn das Hotel
schon die Sterne im Namen trägt und sich 90% seiner Gäste nach einer
Schnelleinschätzung der Zielgruppe „Rüstige Rentner“ zuordnen lassen, kann man
wohl getrost von „Rentnern in Space“ sprechen.
Das Hotel
„Maristella“ in Algajola auf Korsika war für eine Woche unser ganz persönlicher
All-Inclusive Hotspot. Ich habs ja nicht anders gewollt. Endlich einmal nicht
darüber nachdenken, was man kochen könnte, damit alle glücklich sind (dabei
sind wir nur zu Dritt), was man demzufolge einkaufen muss – und wie und wo man
das dann auch noch alles erledigt. Ich bin schon in normalen Wochen gut
ausgelastet, das ganze Haushaltsthema auf die Kette zu kriegen, warum dann auch
noch im Urlaub ständig die Gedanken um To-do und to-shop Listen kreisen lassen.
Einfach mal abschalten, sich an den gedeckten Tisch setzen, essen und trinken
bis zum Abwinken und dem Sohn beim animiert-werden zuschauen.
Ha!
Wenn das mal
alles so einfach wäre.
Ein großer Vor-
(oder Nach)-Teil einer Pauschalreise ist, dass man seine Miturlauber oft schon
bei der Gepäckaufgabe am heimischen Flughafen kennen lernt. Unser Sohn bekam
von einem lustig grinsenden Rentnerpaar gleich mal ein Mamba zugesteckt, das
ihn Verpackungtechnisch schon überforderte. In welcher Jackentasche das
überwintert hatte, wollte ich gar nicht wissen. „Wie, er kennt das nicht?“,
hörte ich die Frau ungläubig fragen. Sie hatte sichtlich Spaß daran, daß Herr
O. grade genießerisch Neuland bekaute während seine Mamas bemüht waren, Haltung
zu wahren. Bloß nicht den Eindruck erwecken, man verbiete seinem Kind
Süßigkeiten. „Wir haben 10 Enkel“, lächelte es mir dann tiefenentspannt
entgegen. „Oh jeh“, dachte ich. Die habens ja drauf.
Den Flug mit
Germanwings verschlief unser Vielflieger-Sohn und wäre da nicht der waghalsige
Landeanflug auf Calvi gewesen, ich würde den Flug überhaupt nicht erwähnen.
Hätte der Pilot uns nicht zweimal herzallerliebst darauf hingewiesen, dass es
völlig normal sei, mit dem Bauch des Airbus‘ die korsischen Bergrücken zu
streicheln, ich wäre wahnsinnig vor Angst geworden. Das Team rund um den
Kapitän gab sich so viel Mühe, Entspanntheit und gute Laune zu verbreiten, dass
es fast schon wieder verdächtig wirkte.
Gut gelandet, Gepäck abgegriffen, vom professionell-sympathisch lächelnden Animateur begrüßt worden, ab in den Transfer-Bus, über die Küstenstrasse einmal hoch, einmal runter, Ankunft Hotel Maristella.
Gut gelandet, Gepäck abgegriffen, vom professionell-sympathisch lächelnden Animateur begrüßt worden, ab in den Transfer-Bus, über die Küstenstrasse einmal hoch, einmal runter, Ankunft Hotel Maristella.
Es sah ganz genau
nicht so aus, wie auf den Bildern im Internet. Irgendwie fehlte die positive
Ausstrahlung einer familienfreundlichen Hotelanlage, die für eine Woche unsere
Heimat sein wollte. Da standen kreisförmig angeordnete, zweigeschossige
Häuschen, die mit dem Allernötigsten ausgestattet waren. Es gab eine schlicht
gehaltene Bar, einen heruntergekommenen Kinderspielplatz und zur Begrüßung
Trockenkuchen aus der Packung. Der im all-inclusive-Paket enthaltene Wein kam
aus dem Zapfhahn und das Bier wurde aus 0,2l-Fläschchen eingeschenkt, deren
Bodensatz das Thekenpersonal sammelte, um daraus dann jedes dritte Bier zu
vervollständigen.
Sparsamkeit wurde hier sowieso ganz groß geschrieben:
- 2/3 des Obst kam aus der Dose (Ananas, Pfirsiche)
- Den Tisch mußte man selber decken (incl. Besteck).
- Kaffee und
Zubehör (Milch, Zucker,…) mußte man selber zapfen zum Tisch tragen
- Die durchaus vorhandenen Kühlschränke und Kochmöglichkeiten in den Wohnungen waren abgeklemmt und die Wasserhähne abmontiert.
- Internet stand nur im Bereich der Bar zur Verfügung
- Die durchaus vorhandenen Kühlschränke und Kochmöglichkeiten in den Wohnungen waren abgeklemmt und die Wasserhähne abmontiert.
- Internet stand nur im Bereich der Bar zur Verfügung
Der erste
Eindruck war kein schöner. Wir wollten uns aber die Laune nicht verderben
lassen und beschlossen, einfach das Beste draus zu machen. Immerhin war das
Wetter traumhaft und der Strand gleich um die Ecke. Das bezaubernde Örtchen Algajola lag 10
Minuten zu Fuß entfernt. In 5 Minuten hatte man ihn durchquert. Mit Buggy.
Bergauf.
Ein paar Cafes,
ein paar Eisdielen, die beste Burgerbude am Ort (weil einzige), ein Supermarkt
und der Bahnhof. Der Bahnhof gehörte noch zu den Hauptattraktionen von
Algajola, denn hier hielt ca. 5 mal am Tag der Zug, der zwischen Calvi und Ille
Rousse hin-und her pendelte. Hätten wir auf unserem Ausflug nach Calvi einen
Sitzplatz ergattert, könnte ich die Zugfahrt hier sicherlich als Highlight
beschreiben. Aber was soll ich schon groß sagen, wenn man bei sengender Hitze
mit seinem fast 3-jährigen auf dem Fußboden zwischen Flip-Flops und haarigen
Beinen hockt?
Herr O. genoß die
Fahrt dennoch sehr und noch viel mehr das anschließende ausgelassene Bad im
Meer. Von „iehh“ und „laut“ und „Mama lieber Swimmingpool“ durchlief er
ratzfatz eine Wandlung zum Wellenkönig, der selbst bei einer
Ganzkörper-Salzwasserdusche nicht aus dem Gleichgewicht geriet.
Kinder sind auf
faszinierende Weise dazu in der Lage, aus allem ganz einfach das Beste zu
machen. Unser Junior hatte Spass ohne Ende– ganz gleich, ob man uns in der
ersten Nacht den Ball klaute, oder die Katzen den Sandkasten auf dem Hotelspielplatz
als Katzenklo beanspruchten.
Nur an einem Tag
hatte er keinen Spass, da hatte er Fieber. Das „kranke Kind im Urlaub“-Thema
hatte uns also auch ereilt. Rührend die Anteilnahme vieler Hotelgäste, die das
mitbekamen und sich fleißig erkundigten, wie es ihm ginge. Was eine echte Oma
ist, die leidet auch im Urlaub mit fremden Kindern. Es könnte sich ja eine
Gelegenheit ergeben, Geschichten von den eigenen Enkeln zum Besten zu geben.
Für das Fieber und expressive Übelkeit gibt es sicher viele Ursachen – eine davon könnte eventuell auch die Sangesdarbietung des Hotel-Managers sein. Seite an Seite mit einer Johnny Walker Flasche säuselte er „Country Roads“ & Co ins Mikrophon und tat dies just zur Essenszeit, als es kein Entkommen gab.
Wir erfreuten uns an der Freude der anderen und tauschten mit den wenigen „jungen“ Urlauber-Familien entgeisterte Blicke aus. Man muß auch mal gönnen können.
Am Ende einer
Woche All-Invlusive im Maristella waren wir reich an Erfahrung, gut gebräunt
und unerwartet gut erholt. Wir hatten nicht beim Aquagym oder Bogenschießen
mitgemacht, uns nicht ins Koma gegessen oder getrunken und auch keine Bustour
zum authentischen Bergbauerndorf mit Eselswurst-Verkostung und selbstgebranntem
Schnaps gemacht. Vielleicht ging es uns ja auch gerade deshalb so richtig gut.
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