Sushi und Stollen
Mir ist da noch was eingefallen. Bevor das Jahr zu Ende ging habe ich noch ein Buch von David Foster Wallace gelesen. Nicht das dicke mit dem vielen Erklärungen im Hinterteil, sondern eines seiner ersten, "Der Besen im System". Das anfänglichausgesprochene Lob hab ich schnell bereut. So ein Schwachsinn. Aber es war ja auch Jahresendzeitstimmung und ich sass vieleStunden im Flugzeug. Da bleibt einem ja auch nichts anderes übrig als schwachsinnige Dinge zu tun, wie z.B. Ice Age 3 oder schmierige US-Highschool Komödien zu gucken. Da so viel Schwachsinn nach Alkoholkonsum nur so schreit, war ich dankbar, alsdie Stewardess mit dem Wein den Gang entlang gerauscht kam. Normalerweise bin ich da ganz eisern und wähle immer den Wein,der von am wenigsten weit weg kommt. Doch in tausenden Metern Höhe, irgendwo über den endlosen Weiten Sibiriens war ich hilflos. Chilenischer, Kalifornischer oder Südafrikanischer Wein? Welcher hat wohl den geringsten CO2 Fingerprint? Ich hoffe, die Chilenen und Kalifornierkönnen mir verzeihen, denn ich hab den südafrikanischen genommen. Immerhin findet dort die Fussball-WM statt und der Kaiser fliegt so oft zwischen München und Kapstadt hin- und her, dass da bestimmt immer mal 'n paar Fläschchen Wein mitreisen dürfen. Also quasi emmissionsschwarzfahrend.
Und dann war da noch die Sache mit den Haifischflossen - als Suppe, Vorspeise oder Salat. Denkste, gibt’s nicht mehr? Tja, gibt es doch. Und wie. In Chinatown in Yokohama gabs die an jeder Ecke. Und zwischen den Ecken auch noch, wirklich überall. Ich hoffe, ich hab keine gegessen, aber ganz sicher kann man sich da nie sein. Das Essen war wirklich lecker, sogar hübsch anzusehen, aber was es eigentlich ganz genau war wird wohl ein Geheimnis bleiben.Zum Nachtisch schleckten die Mädchen Green Tea Icecream und der Neffe von Frau O. verdrückte eine art Germknödel mit einer Füllung aus schwarzen süßen Bohnen.
Die gleiche Paste blubberte mir auch aus dem "Reisklumpen to-go" entgegen, den ich zwei Tage später aus lauter Neugier verdrückte. Hat jetzt nicht nicht geschmeckt, muss ich aber auch nicht so schnell wieder essen. Ich muss zugeben, Grüner Tee hat Charme und seine Ausstrahlung von Gesundheit und Ruhe, dieses Chi-hafte, Karmagleiche, Göttliche, das ihm anhaftet, geht immer nochan mir vorbei. Er riecht unangenehm, schmeckt bitter und anschliessend ist die Tasse grün. In Wahrheit hab ich mich in Tokio aber von einem kulinarischen Highlight zum nächsten gehangelt, keine Algenmatte ausgelassen, wabbelige Süßspeisen mit der Zunge gestreichelt, rohen Fisch, gekochtes Fleisch, gebratene Nudeln, gedünstetes Gemüse und Stollen. Ja, richtig. Wir hatten die Koffer noch nicht ausgepackt, da ging es auch schon los. "Schaut mal, was wir alles schönes haben!" Im Handumdrehen kredenzte man uns Weihnachtsstollen, Vanillekipferl, Spekulatius, Leberkäse und Würstchen. Die Globalisierung macht eben vor nichts Halt und da ich ja von Frau O. gelernt habe, dass man immer brav "Danke" und "Ja" sagen soll, wenn einem der Gastgeber etwas anbietet, ass ich freundlich lächelnd Stollen mit Sushi. Es hat aber auch seine guten Seiten mit dem Blick in fremde Kochtöpfe. Immerhin bekommt man in Tokio mittlerweile an jeder Ecke vernünftiges Brot und Milch und sogar einen ordentlichen Kaffee - wenn der auch, wie sollte es anders sein - meistens von der Firma mit dem grünen Logo auf der anderen Seite des Pazifiks kommt.
In diesem Sinne: "Iti dakimas."
1 Kommentar:
Das Essen auf dem Bild sieht so ähnlich aus wie die Dragon Fist Jungs (http://www.vimeo.com/5764616)
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