Donnerstag, 6. August 2009

Tourreport nach Themen - Teil II

LIEBENSWERTE FREAKS

Die Radtour war toll, das kann ich garnicht oft genug schreiben. Hervorzuheben sind natürlich die vielen kleinen Dinge, die man erlebt, wenn man sich quasi permanent in Bewegung befindet. Jede Sekunde eine neue Entdeckung: der Blick vom Berg hinab ins Tal, hinter die nächste Kurve, über die Brücke hinweg, durch den Wald hindurch. Wunderbare Landschaften ziehen an einem vorbei, gepaart mit Gerüchen und Geräuschen, Farben, und Formen. Manchmal ist das fast schon romantisch, man gerät ins Träumen, denkt an Effi Briest, wie sie in der Kutsche...und dann, peng, ein Stöhnen, ein Jammern, der Schweißgeruch vom Vordermann - man plumst zurück auf den harten Sattel der Realität und realisiert: Ich mache eine Gruppenreise!
7 Radler, 2 Radlerinnen und eine Begleitfahrzeugfahrerin waren für 5 Tage mein Mikrokosmos. Drei davon lernte ich erst an Tag 1 der Fahrt kennen. Grundprinzip einer Gruppenreise ist das gemeinsame Ziel. Da wir uns schon bei der Anmeldung total einig waren, dass wir am 29.Juli gesund und mit Rad am Bodensee ankommen wollen, gabs da keinen Diskussionsbedarf. Erprobte Mitradler hatten schon im Voraus Einzelzimmerbelegung gebucht - sie wussten schon, was da so auf einen zukommt. Die vielen Eindrücke vom Tag wollen ja auch irgendwann mal mitgeteilt werden. Und wann kann man das besser als vor dem Einschlafen?
Man soll auch nicht glauben, dass die täglich aus- und eingepackten Reisetaschen keine stinkenden Socken enthalten. Kollektionen von ausgemusterten Tour de France Profiteam Trikotsätzen müffeln nun mal nach Gebrauch - und die Abende waren dann doch zu schön als dass man sie mit Rei in der Tube schrubbend im Bad verbringen wollte. Während des Radelns versanken die meisten in Tagträumen. Einer träumte von Mainz 05, einer von Borussia M'Gladbach, einer übte heimlich Rilke-Gedichte. Doch so bald das Begleitfahrzeug am Horizont erschien, dachten alle plötzlich nur das eine: Essen! Als gäbe es kein Morgen wurden Riegel und Kekse aus der Futterkiste gegrabscht und in Trikottaschen und Münder gestopft. Die zahlreich mitgeführten Navigationsgeräte rissen uns auch so manches mal aus dem süßen Traum vom abendlichen Weizenbier, denn sie zeigen noch lange nicht alle gleichzeitig das gleiche Links an. Wildes Geschrei und Gestikulieren machte sich breit, der Stresspegel stieg so lange an, bis der Checker die Lage mit einem finalen "hier lang" beruhigte. Er hatte den besten Draht zum Satelliten. Wenn dann endlich nach einem langen Tag "Sie haben das Ziel erreicht" auf dem Display blinkte, sammelten wir uns um den gut gedeckten Tisch, aßen, tranken und erzählten uns die immer gleichen Geschichten von - ja, das ist kein Witz - sportlichen Höchstleistungen.
5 Abende redeten wir über Marathonbestzeiten,
Trainingspläne und Taktiken, tauschten Triathlonerfahrungen aus, wie zum Beispiel bei welcher Schwimmdistanz die meiste Entenkacke im Wasser war.

  • Bringen Kompressionssocken wirklich was?
  • Soll man Powerbar kaufen oder gibt es günstigere Alternativen? Welcher Laufradsatz taugt wirklich was?
  • Wie wird man beim Marathon 2 Minuten schneller?
  • Haben Frauen mehr Sitzprobleme auf dem Rennrad als Männer?
  • Soll man bei der Triathlon-Kurzdistanz Socken anziehen
  • oder einfach die Blasen an den Füßen in Kauf nehmen?
Ich habe es genossen, stundenlang übers Laufen, Schwimmen, Radfahren zu reden, ohne dass nur einer im Geringsten mit der Wimper zuckt.
Als dann die Stories vom Triathlon in Roth (das Hawai von Deutschland!) ausgepackt wurden und die Gruppe mit offenem Mund dem Finisher lauschte, war mir ganz schnell klar: Ich bin doch eigentlich noch ganz normal.

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