Donnerstag, 7. November 2019

Die Brille des Vaters


Vor ein paar Wochen hatte ich einen Kontrolltermin beim Augenarzt mit unserem Junior. Er ist jetzt 3,5 Jahre alt und das war sein erster Besuch beim Augenarzt. Er war mega stolz, am frühen Morgen mit mir alleine in die Bahn zu steigen und in die Stadt zu fahren. Für ihn ist Straßenbahnfahren immer noch ein großes Abenteuer, und der Weg zum Arzt über Rolltreppen und große Straßenkreuzungen, vorbei an Baustellen, macht ihm sichtlich Spaß.
Unser Augenarzt betreibt eine große Praxis im Herzen von Düsseldorf, wo es für alles Spezialisten gibt. Gleich mehrere MitarbeiterInnen sind auf Kinder spezialisiert und ein extra Wartebereich für Kinder ist glücklicherweise auch vorhanden. Unser Junior beschäftigte sich dort erst mal mit ein paar Stiften und malte Krikelkrakel-Bilder, bis er dann den viel spannenderen Wasserspender entdeckte und sich sein Warte-Wasser zapfte.

Dann wurden wir aufgerufen und er durfte auf dem großen Behandlungsstuhl Platz nehmen. Das behagte ihm nicht so sonderlich und deshalb durfte er auch gemütlich auf meinem Schoß sitzen. Jetzt folgten erst mal ein paar Fragen an mich: Waren Sie schon mal hier? (Ich, ja, er, nein) Gibt es irgendwelche Auffälligkeiten (nein). Ah, ich sehe, Sie tragen eine Brille. Was ist der Grund? Ich halte meine Erklärung ziemlich knapp, da ich a davon ausgehe, dass das sowieso alles in ihrer schlauen Datenbank steht und b ist das ja völlig irrelevant, da ich mit meinem Sohn ja biologisch nicht verwandt bin. Als sie dann aber weiter fragt, ob der Vater Brillenträger sei, erkläre ich, dass unser Sohn zwei Mütter habe und dass die andere Mutter, die leibliche sei und diese auch keine Brillenträgerin. Ahhhhh…Pause….langes Starren auf den Computerbildschirm….ahhhh…soooo…gut. Dann wollen wir mal gucken. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie mich richtig verstanden hat oder nur so tut, weil sie nicht genau weiß, wie sie mit der Situation umgehen soll, aber jetzt zeigt sie erst mal ein paar Bilder und wir konzentrieren uns alle drei darauf, diese richtig zu erkennen. Junior hat die wenigste Lust auf diese Übung und hüllt sich komplett in Schweigen.
Irgendwie scheint ihm diese Schul-Situation nicht zu behagen. Nachdem er anfänglich noch mit Gesten anzeigt, dass er Auto, Schiff, Haus und Blume unterscheiden kann, erstarrt er irgendwann völlig und tut selbst das nicht mehr. Er hat einfach keinen Bock.
Die Ärztin bleibt aber sehr verständnisvoll und entläßt uns nochmal in den Wartebereich. Hier zapft Junior noch 2 Warte-Wässerchen aus dem rumpelig blubbernden Wasserspender und pflanzt sich dann wieder auf meinen Schoß.
Da kommt auch schon der 2.Aufruf von einer anderen Ärztin in das nächste Behandlungszimmer. Ich verstehe deren Arbeitsteilung nicht, läuft bei mir aber auch immer so.
Komischerweise stellt sie schon wieder die gleichen Fragen nach Auffälligkeiten, meiner Brille und dem Vater. Hä? Ein klassisches Deja-vu. Muss das sein?, denke ich. In Zeiten von Computern, kann man doch mal einen Vermerk machen, damit ich nicht ständig die gleichen Fragen beantworten muss.  
Vielleicht bin ich daraufhin innerlich so genervt, dass Junior diese Vibes auf meinem Schoß sitzend empfängt und sich der zweiten Ärztin komplett verschließt. Eigentlich ist sie ganz nett, aber bei ihm kriegt sie keine Schnitte. Aus ihrer Sicht sind die Untersuchungsergebnisse ok, so dass wir ohne auffälligen Befund wieder nach Hause fahren können. In einem Jahr kommen wir wieder und dann bin ich mal gespannt, ob man uns wieder nach der Brille des Vaters fragt.