Dienstag, 18. Dezember 2007

Pappklavier

Meine alte Musiklehrerin Frau Goymann ließ uns in der 5.Klasse des Gymnasiums Pappklaviere bauen.
Das waren die pappernen Rückseiten von Collegeblöcken, auf die wir die Tastatur eines Klaviers pinselten. Ziel der Sache war, Tonleitern zu üben, auf der Papptastatur, um sie dann auf dem großen Schulflügel, mit ungelenken Sextanerfingern herunterzutippen. Dafür gab es Noten. Frau Goymann war sehr gefürchtet, denn sie zitierte uns nicht nur willkürlich aus dem Alphabet heraus vor die Klasse, sondern sie ließ uns auch sechsstrophige Liedertexte auswendig lernen und kommentierte aufs schärfste unsere pubertären Verhaltensweisen. Das war uns damals so peinlich, daß man noch nervöser den großen Musiksaal betrat, als man das angesichts der vorklrieglichen Lehrmethoden hätte tun müssen. Aber egal.
Ich kam auf das Thema 'Pappklavier' als ich am Freitag im Düsseldorfer Schauspielhaus das Konzert von Peter Licht erleben durfte. Sein Drummer hatte nämlich ein Pappschlagzeug. Nicht aufgemalt sondern echte Bananenkisten waren vor ihm arrangiert und er trommelte angestrengt darauf rum.
Ein Pianist mit einem echten Flügel war auch da, ein Bassist und Peter Licht mit vielen großen und kleinen Zupfinstrumenten. Von meinem gemütlich gepolsterten Sitz in Reihe drei konnte ich die vier Künstler wunderbar bei Ihrer Kunst beobachten. Es war grandios. Peter Licht las merkwürdig komische Texte vor, dann sang er wieder, vergass manchmal den Text, aber das machte nichts, denn der Pianist konnte immer aushelfen und überspielte das mit einem sagenhaft charmanten Lächeln. Peter Licht tanzte seine einstudierten wilden Schritte herunter, kam mal ausser Puste, las wieder was,
verteilte Zettel mit Liedtexten und lies den Saal 'Wir machen uns eben sorgen über unsere Zukunft und unseren Arbeitsplatz' singen. Das wiederum machte so viel Spass, dass es einem fast schon wieder peinlich war. Aber das sollte es ja wohl auch. Er sang vom Ende des Kapitalismus und pries seine Merchandising Artikel an. Er probierte immer wieder hohe töne zu 'ahahen' und lachte über sich selber, weil es fast nie klappte. Nach drei Zugaben hörte er mit dem Satz 'Ich kann nicht mehr' auf
und ich bedankte mich bei mir selber für dieses Vorab-Geburtstagsgeschenk, das ich mir selber gemacht hatte.

6 Kommentare:

Alexa hat gesagt…

Die gute Frau Goymann mit ihren Pappklavieren habe ich auch nie vergessen und Freunden des öfteren mal Anekdoten von ihr erzählt. Die Frau war aber auch echt ein Fossil aus grauer Vorzeit. Aber im Endeffekt war sie die besten Musiklehrerin, die ich je hatte.

Dein Peter Licht Konzert hört sich ja richtig gut an. Irgendwann werde ich ihn mir bestimmt auch mal live ansehen. Ich muss einfach meine Neugier befriedigen, wie er aussieht. :-)

claribu hat gesagt…

Peter Licht sieht ziemlich normal aus. Schütteres blondes Haar, Hornbrille, ca. 1,80 groß, schlank. Jetzt fällt mir erst auf, dass niemand auf dem Konzert fotografiert hat. Einmal hat eine Frau aus dem Publikum ein Foto gemacht, da hat er mit ihr geschimpft und dann aber gleich wieder gelächelt. Ich glaub, er nimmt sich da selber nicht so ganz ernst.
Frau Goymann forwever! Die hatte was drauf.

Anonym hat gesagt…

vielleicht kann man ihn ja hier "sehen":

http://www.wdr.de/radio/wdr3/sendung.phtml?sendung=WDR+3+open%3A+WortLaut

also, im fernsehen.

(das ist übrigens heute)

:-)

Anonym hat gesagt…

na ja... wer lesen kann, ist klar im vorteil. und im radio kann man nicht gesehen werden. was ja wieder paßt. kann ich bitte meinen eintrag noch mal editieren? oder am besten wieder löschen?

;-)

claribu hat gesagt…

könnte mir auch passiert sein. ich lass das mal stehen, wenn es nicht arg so ganz so schlimm ist und blogge einfach ein paar neue Posts, so dass es nicht mehr so im Focus steht.

Anonym hat gesagt…

ist schon in ordnung. hat ja bestimmt eh niemand bemerkt

;-)

schöne weihnachten und spannende tage in dublin!