Freitag, 7. September 2018

Einschulung


Heute vor einer Woche war es endlich so weit: Herr O. wurde eingeschult. Was – sieht man es schwarz auf weiß geschrieben – ziemlich nüchtern aussieht, ist heutzutage ein Wahnsinnsevent und man muss sich ganz schön am Riemen reißen um nicht in den Sog der Eventisierung zu gelangen.

Auch hier gibt es nichts, was es nicht gibt: Tischdeko, Wimpel, Einladungs- und Gratulationskarten, Geschenke, Erinnerungsbücher, Bücher mit dem Titel „Mein (oder Max‘ oder Conny’s oder Häschens oder …) erster Schultag, Schokolade in Buchstabenform, die Playmobil-Sonderedition „Schulhaus“ mit Ergänzungszubehör „Turnhalle“. Für kleinere Geschwisterkinder gibt’s die passende Geschwisterschultüte und die Playmobil-Kita.

Für die Eltern gibt’s einfach jede Menge Stress, das alles zu organisieren bzw. die Familie und Freunde vor dem Kaufrausch zu bewahren.
Da man aber selber permanent gefragt wird, was man denn zur Einschulung plane oder was man dem Kind denn schenken könne, fällt es schwer, sich aus den Strängen des Kaufwahns zu befreien.
Die Geschäfte sind ja auch nicht ganz blöd. Da sie wissen, dass die Eltern in den Wochen vor der Einschulung scharenweise in die Schreibwarenabteilungen einfallen, um die vorgeschriebenen Artikel für den Schulranzen zu kaufen, drapieren sie den lustigen aber völlig unnützen Schnick-Schnack unübersehbar dazwischen. Radierer mit Fussball-Motiven, Brotdosen mit Dinosauriern, Trinkflaschen mit Feen und Mäppchen mit Einhörnern. Ach so, das war alles schon auf der Pflicht-Liste? Na dann eben noch Spielsachen, Spielsachen und Spielsachen.

Die Krönung ist dann die selbstgebastelte Schultüte. (Selbst = von Mama). Da habe ich gestreikt. Herr O. wählte ganz pragmatisch eine von amazon mit Fussball-Motiv aus und das Thema war erledigt. Der Junior bekam dann die gleiche Tüte als Miniversion, und die füllte ich dann beide am Abend vor der Einschulung mit allerlei süßen Leckereien, ein paar Legofiguren, einer neuen Fahrradklingel, einer Brotdose für die Schule und einem Brustbeutel.



Da wir schon um 9:00 Uhr zum Einschulungsgottesdienst in der Kirche sein mußten, blieb am Morgen wenig Zeit für Aufregung. Die Großeltern gesellten sich zu uns und dem kleinen Herrn O. und der stolze Erstklässler nahm in den vorderen Reihen Platz im Kreise seiner neuen Klasse, der 1B.

Es wurde viel gesungen (Chor, Pfarrer, Lehrerinnen), ein bisschen geheult (Eltern) und viel geredet (der Pfarrer, der es sehr gut meinte). Dann zogen die Erstklässler mit ihren Lehrerinnen aus der Kirche aus und gingen ohne die Eltern zur Schule, wo sie erst mal eine Stunde „Unterricht“ hatten. Für Eltern, Großeltern, Paten, Geschwister und das ganze andere Gesocks gab es Kaffee und Kekse auf dem Schulhof. Dargereicht wurden die Leckereien vom Förderverein, dessen Vorstände nicht davon ablassen konnten, mit Sammelbüchse und Antragsformularen durch die Reihen zu schreiten.
Nach einer guten Stunde kamen die Erstklässler wieder auf den Schulhof und zum Abschluss ließen alle Kinder einen Luftballon steigen. Dann durfte endlich die Schultüte geplündert werden.
Wir spazierten dann langsam zum Italiener und aßen dort im Kreise von vielen weiteren frisch eingeschulten Kindern und ihren Familien Pizza und Pasta.

Der Tag muß sich für unseren Großen angefühlt haben, wie für einen Erwachsenen die eigene Hochzeit. Maximale Aufregung und dann weiss man am Ende nichts mehr so ganz genau – ausser, dass man irgendwann leicht betrunken im Bett lag und nicht mehr piep sagen konnte.
Herr O. war selbstverständlich nicht betrunken – wachte aber mitten in der Nacht bauchschmerzgeplagt auf und verlangte nach einem Notarzt. Nachwirkungen von zu viel Gummibärchen und Lollies. Zum Glück wirkte die gute alte Wärmflasche schnell und er konnte am nächsten Morgen gut gelaunt und schmerzfrei seinen Schulranzen schultern und seinen allerersten richtigen Schultag erleben. Damit ging der „Ernst“ des Lebens dann so richtig los.


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