Dienstag, 8. September 2009

Zeit für nen Aufguss

Nach all dem Schwimmen, Radfahren und Laufen der letzten Wochen hab ich mir gestern einen freien Tag gegönnt. Der fast schon vergilbte Gutschein fürs Saunaparadies schrie nach Einlösung und so machte ich mich früh morgens zur besten Knoppers-Zeit auf zum Saunaparadies "Calevornia" in Leverkusen. "Das volle Programm, bitte", sagte ich zu der Dame an der Kasse, gefolgt von einem "isch hab nen Gutschein". Stolz zeigt ich ihr das Papier. Ihr sonnenbankgefaltetes Lächeln erwiderte schadenfroh "tja, schön, aber der is nisch von uns."
Ich war im falschen Saunaparadies. Da mir nicht nach erneuter Autofahrt und Neuordnung meiner Pläne war, nahm ich den Eintrittschip für Sauna und Schwimmbad und wählte statt "vollem Programm" die Sparvariante von 2 Stunden. Mein letzter Besuch in einem solchen Wellnesstempel liegt fast
10 Jahre zurück und trotz getrübter Erinnerung wurde mir schnell klar, dass sich Calevornia nicht mit der Claudius-Therme in Köln messen kann. Die Konfrontation mit Hitze, Abtauchbecken und Co. zögerte ich erst mal durch einen ausgiebigen Besuch im Schwimmbad heraus. Auffällig viele Rentner
trieben im Wasser - ein bisschen wie Treibgut, das ich aber elegant umkurvte. 2 Von ihnen teilten sich die Bahn "für sportliche Schwimmer" mit mir und leisteten auch beim 25. Überholtwerden noch keinen Widerstand. Nach 30 Minuten Ausdauerprogramm fühlte ich mich reif für die Sauna. Klamotten aus, Handtuch umgeworfen und kurz orientiert. In 5 Minuten stand ein Aufguß in der gut besuchten 90° Blockhütte an. Als ich eintrat musterten mich die Blicke des Rentner-Clubs Leverkusen äußerst kritisch. Ich war nicht nur mindestens 30 Jahr jünger als jede / jeder von denen, ich hatte auch noch auffällig deutlich viel weniger Fett. Es verhielt sich ein wenig so wie Schweinshaxe zu gedünstetem Fisch. Kaum hingesetzt, fing ich mir den ersten Tadel ein. "Können se bitte de Füße auwes Hantuch schtellen?" Es war sehr heiß, wie gesagt, 90° Grad sind 90° Grad. Doch dann kam Melanie mit dem Aufguss und einem Lächeln, das nichts Gutes versprach. Kann man im Schweiße von Melanies Pfefferminz-Aufguss vor Furcht zittern? Definitiv: Ja.
Dann wedelte sie mit dem Handtuch wild in der Luft herum. Allein unter Fremden, mein erster Aufguss, ich litt Höllenqualen aber aufgeben war nicht. Meine Haut brannte wie heißer Asphalt in der Wüste, doch Melanie kam unerschrocken näher und näher. Sie schlug vor jedem einzelnen zweimal mit dem
Handtuch auf- und ab. Dann kam sie zu mir. Schmerzhafte Saharaluft blies mir wie der wütende Atem einer Figur aus Indiana Jones ins Gesicht. Ich dachte an Dokumentationen über buddhistische Mönche, die sich in Trance versetzen, um den Schmerz nicht zu spüren. Paddah - Paddah. Dann stand sie vor der nächsten Person. "Bei mir bitte nicht", zischte diese, und Melanie lies von ihr ab. Das ging? Ich traute meinen Ohren nicht. Als Melanie zur zweiten Runde ansetzte, flocht sie zwischen dem Griff zur Kelle und deren Eintunken ein "Möchte jemand gehen?" ein, das ich aber nicht schnell genug beantworten konnte, denn ich war ja noch in Trance. Als die Minzbrühe abermals auf den heißen Steinen zischte, durchzuckte mich ein Energiequantum und gab mir den Mut, meine Nachbarin zu fragen, ob es nun zu spät zum Gehen sei. Wenn es mir nicht gut gehe, könne ich selbstverständlich jederzeit gehen. Und das tat ich dann auch.
Ein paar Minuten später entspannte ich mich dann im Kreis der Leverkusener Senioren in gemütlichen Gartenmöbeln am Aussenbecken im Schein der Spätsommersonne. Wir lutschten jeder an einem dargereichten Fruchteis, die Damen diskutierten über den letzten Rosamunde-Pilcher Film im ZDF und die Herren zupften die Handtücher um die Lenden gerade. Ich beschloss erneut in Trance zu versinken.

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